Ambulant vor stationär. Dieser Tenor ist auch vermehrt im Bereich der Jugendhilfe in den beiden Basel zu hören. Doch wie wirkt sich dieser Trend bei ambulanten Dienstleistungen aus wie zum Beispiel der sozialpädagogischen Familienbegleitung? Vicente Marti, Bereichsleitung ambulante Wohnbegleitung Heime auf dem Berg gibt uns einen Einblick.
Beschreiben Sie kurz die Aufgabe einer sozialpädagogischen Familienbegleitung. Was tun Sie konkret?
Vicente Marti: Wir suchen die Menschen in ihren Lebenswelten auf und bieten vor Ort Hilfestellungen. Es geht immer um die Beziehungen zwischen dem Kind und einem oder beiden Elternteilen bzw. Erziehungsberechtigten. Unser Fokus ist: Was braucht es, damit sich das Kind oder die jugendliche Person möglichst gut in der aktuellen Familiensituation entwickeln kann? Dabei weiss man nie, was man vor Ort antrifft. Es kann sein, dass man ein bestimmtes Problem angehen möchte, wie Grenzen setzen, oder das Besprechen der Essensituation oder der Umgang mit herausforderndem Verhalten. Doch sobald man bei der Familie angekommen ist, steht dann vielleicht ein heftiger Streit zwischen den Eltern an, oder eine schwierige Nachricht beschäftigt die Erziehungsberechtigen dermassen, dass das geplante Programm warten muss. Unsere Devise ist: Störungen haben Vorrang. Wir arbeiten immer mit dem, was gerade wichtig ist.
Ambulant vor stationär ist seit einigen Jahren der Tenor – auch in der Jugendhilfe. Spüren Sie diesen Trend in Ihrer täglichen Arbeit?
V.M.: Die neue Richtung von ambulant vor stationär spüren wir extrem. Das KESB oder das KJD sind mit Fremdplatzierung der Kinder oder derJugendlichen zurückhaltend geworden. Es wird länger ausprobiert und man versucht, die Kinder möglichst lange zu Hause zu behalten. Dies hat zur Folge, dass sich unser Aufgabenfeld stark vergrössert hat. Es geht nicht mehr nur um die klassische sozialpädagogische Familienbegleitung, sondern wir müssen uns auch mit den anderen Hilfesystemen, wie der Schulsozialarbeit oder den Nachbarn vernetzen. Oft sind wir dabei auch die Übersetzenden für andere Ämter, da wir den direkten Einblick in die Lebenswelt des Kindes oder des Jugendlichen bzw. der Familie haben.
Und was sind die Folgen aus diesen zurückhaltenden Fremdplatzierungen?
V.M.: Grundsätzlich ist es gut, dass Kinder und Jugendliche nicht zu rasch fremd platziert werden. Doch oft ist das Verhaltensmuster in einer Familie etwas, das sich in langer Zeit «eingeschliffen» hat. Diese Muster zu durchbrechen, braucht viel Zeit und eine angepasste und feinfühlige Begleitung. Als Anbieter von ambulanten Begleitungen steht man oft in einem Spannungsfeld zwischen der Finanzierung, der Erwartungshaltung der Zuweisenden und nicht zuletzt unter der Erwartungshaltung der betroffenen Familien.
Wo sehen Sie Chancen, was könnte man noch verbessern?
V.M.: Ich wünsche mir, dass man sich weniger über die gebrauchten bzw. die verordneten Stunden unterhält, sondern prozesshaft immer wieder hinschaut, was braucht das Kind, die jugendliche Person jetzt genau? Zudem sind eine gute Zusammenarbeit und Austausch mit den Auftraggebenden essenziell. Ebenfalls denke ich, dass es wichtig wäre, wenn sich die Anbietenden der sozialpädagogischen Familien-begleitungen untereinander vernetzen und fachlich austauschen.
Wie sehen Sie die Entwicklung in Basel und Baselland?
V.M.: Der Kanton Baselland vergibt seit 2022 neu Leistungsvereinbarungen an verschiedene Anbietende. Hier müssen wir schauen, wie sich das entwickelt. Grundsätzlich finde ich diese transparente Vorgehensweise gut. Im Kanton Basel besteht ein geschlossenes Verfahren bzw. ist es nicht transparent, wie die Aufträge neu vergeben werden. Dies ist für die Anbietenden in Basel schwierig, es gibt eher grössere Anbieter, die zum Zug kommen und es besteht durchaus ein Konkurrenzkampf. Ich würde mir ein offeneres Verfahren wünschen, damit die Vernetzung und der Austausch untereinander gefördert wird, was ja schlussendlich in besserer Fachleistungen und somit den Klient:innen zu Gute kommen würde.